FKTG im Wandel der Zeit

Die "Historie der FKTG" ist eine die Zeiten umfassende Artikelserie, die den Weg der Gesellschaft von ihren ersten Anfängen bis heute dokumentieren wird. Da die Film- und Fernsehtechnik im Mittelpunkt steht, dokumentiert die Serie gleichzeitig die technische Entwicklung dieser Medien von 1920 bis heute. Norbert Bolewski, Autor der Serie, hat selbst die Entwicklung der FKTG über Jahrzehnte hinweg auch "federführend" begleitet und gestaltet.

Der deutsche Film vor 1920

Mehrere Aufsatze in der „Kinotechnik“ (1919 und 1920) beschreiben die Situation der damaligen Zeit und wie es die damaligen Filmtechniker empfunden haben. Tatsächlich dominierte vor dem 1. Weltkrieg die deutsche Kinotechnik keineswegs, vorzugsweise die französische und englische und nach 1912 ganz besonders die amerikanische Filmtechnik. Das schließt nicht aus, dass es einige deutsche Filmpioniere gab, die die Entwicklung deutlich beeinflußt haben.

 

„Die deutsche technische Kinoindustrie“ – so hieß es in einem Aufsatz der Kinotechnik 1919 - „ist die Schülerin des Auslands. Bis zum Augenblick des Kriegsausbruches (1914) herrschte in Deutschland der Spielfilm und der Lehrfilm Frankreichs und Italiens. Unsere eigene Produktion an Filmen war im Verhältnis hierzu geringfügig. Der Bedarf an deutschen Aufnahmeapparaten, an deutschen Perforier- und Kopiermaschinen war dementsprechend klein.“... „Die deutsche Kinotechnik steckte noch in den Kinderschuhen, als der (Anm.: Kriegsbeginn) 1. August 1914 hereinbrach. Und die Folgen ... zeigen sich heute in Deutschlands Filmindustrie dem aufmerksamen kritischen Beobachter auf Schritt und Tritt. Abgesperrt vom Ausland, das uns in allen Fragen der Kinotechnik von vornherein überlegen war, hat sich die deutsche Industrie auf eigene Faust wacker und mutig selbst zu helfen gesucht, hat hier und da auch in rein technischer Beziehung bemerkenswerte Fortschritte gemacht und Erfolge erzielt. Aber das Fehlen des befruchtenden Austausches mit der übrigen Welt musste sich bald bemerkbar machen. Neue Ideen und neue Anregungen, die stets frischen Ansporn gaben, kamen von außen her nicht mehr an uns heran. Die deutsche Kriegs-Kinotechnik tüftelte und verbesserte an den Apparaten, welche Engländer, Franzosen und Amerikaner im August 1914 bei uns zurückgelassen hatten.“

 

Und an anderer Stelle hieß es :

 

„.... Der Stand der rein fotografischen Arbeit in unserer Filmfabrikation ist als geradezu kläglich zu bezeichnen. Wer bei uns hat sich jemals bemüht festzustellen, welcher für den Kinofilm der beste Entwickler ist. Wo zum Beispiel wäre jemals in Deutschland auch nur der Versuch gewagt worden, ein paar Meter Film in der Art zu kolorieren, wie es die Franzosen längst vor dem Kriege in so meisterhafter Weise verstanden haben?“

 

Also die technischen Entwicklungen der deutschen Kinotechnik wurden trotz einzelner Erfolge als sehr unzureichend dargestellt, weit zurück vor allem hinter den Franzosen und besonders Amerikanern, die mit Hollywood die Arbeitsweise ähnlich strukturiert hatten wie die Autofabrikation am Fließband.

 

Die deutschen Filme hingegen konnte große Erfolge erzielen, insbesondere mit den künstlerischen und expressionistischen Filmen in den Jahren ab 1913. Der „Kintopp“ war beim Bürger recht beliebt. Es gab 1910 zum Beispiel in Deutschland bereits 610 Filmtheater (vor allem in den größeren Städten) mit 121.000 Sitzplätzen und Anfang 1920 rund 900 Kinos mit 360.000 Sitzplätzen.

 

Die „Erfindung“ der Filmtechnik war im Jahre 1920 immerhin schon 25 Jahre alt (1895). Der starke Einfluss auf die Politik als Massenmedium seiner Zeit war ebenfalls schon längst deutlich geworden. Auch zur Information der Bürger. Fernsehen, auch öffentliche Radiosender, gab es noch nicht und so fanden die Wochenschauen überaus großes Interesse. Zuerst in Frankreich 1910 und den USA 1912 (The Argus Weekly), und seit 1914 in Deutschland gab es sie, zum Beispiel die (Meßter-)Film-Wochenschau.

 

 

Seit 1912 gab es in den USA die erste Wochenschau "The Argus Weekly",
das Bild zeigt das rasende Reporterteam mit Kameramann Vallejo an der Original-Lumiere-Kamera

 

 

Auch, das wird leider in der Darstellung der Film-Historie fast gar nicht registriert, im technisch-wissenschaftlichen und medizinischen Bereich wurde Film zunehmend für die unterschiedlichsten Aufgaben herangezogen. Im Unterhaltungs-Film und in dem um 1913 aufkommenden künstlerischen Film kann man 1920 bereits von einer Industrie sprechen. Die Filmstadt Babelsberg zum Beispiel wurde 1912 in Betrieb genommen, und in Berlin und fast allen größeren Städten Deutschland gab es weitere Produktionsfirmen bzw. Filmateliers. Umgekehrt war schon ziemlich frühzeitig die Amateurfilmtechnik, der Familienfilm, mit 35-mm-Filmkameras im Kommen.

 

 

Fast in allen deutschen Großstädten gab es solche Glashäuser, in denen mit natürlichem Tageslicht Filme aufgenommen wurden.  Erst gegen 1915
kamen ergänzend auch Kunstlichtbeleuchtungen hinzu

 

Bei der Filmkamera hatte sich der Greifer und bei den Projektoren das Malteserkreuzgetriebe für die Filmfortschaltung seit 1910 etwa durchgesetzt. Statt der unsensibilisierten, also fast nur für blaues Licht aktiven Aufnahmematerialien konnte die Sensibiliserung in den grünen und Ende der 1910er Jahre bis in den beginnenden Rotbereich als orthochromatische Materialien getrieben werden. Farbfilme gab es allerdings nur in wenigen aber technisch höchst interessanten Versuchen. Praktisch alle Publikumsfilme waren in Schwarzweiß und wurden manchmal, um Farbe als Gestaltungsmittel einsetzen zu können, in unterschiedlichen (Einzel-)Farben je Szene oder Szenenfolge viragiert (dabei wird die Filmunterlage komplett in einer Farbe eingefärbt), getont (dabei wird die Filmschicht selbst in einen meist bräunlichen oder bläulichen Farbton bei farbloser Filmunterlage) umgewandelt oder gar (meist nur einzelne Szenen) koloriert. Und der 35-mm-Film, wie einst von Edison „erfunden“, unterschied sich zwar nur geringfügig in den Abmessungen der Perforationslöcher. Erste Normen und internationale Normenarbeiten im Bereich der Filmtechnik drängten sich gerade in dem Bereich auf und mussten harmonisiert werden.